Kaum eine Vorlesung zur Analysis wird ohne den Begriff der Reihe auskommen und eine Aufgabe, in der eine gegebene Reihe auf (absolute) Konvergenz zu prüfen ist, dürfte in jeder Klausur zur Analysis I zu finden sein. Dies lässt sich in der Regel mit dafür geeigneten Konvergenzkriterien prüfen. Wenn nun allerdings nach dem Reihenwert gefragt ist, so werden diese Konvergenzkriterien oft falsch angewendet.
Ist eine Folge komplexer oder reeller Zahlen, so definiert man eine neue Folge mit . Abkürzend schreibt man dann und nennt diesen Ausdruck die Reihe über die Folge . Ein Folgenglied heißt -te Partialsumme.
Anschaulich summiert man alle Folgenglieder der Folge auf. Nimmt diese Summe einen endlichen Wert an, d.h. es gibt ein mit , so ist die Reihe konvergent und ist der zugehörige Reihenwert. In diesem Fall schreibt man auch:
Das Symbol hat also eine doppelte Bedeutung; einerseits bezeichnet es die Reihe, andererseits den Grenzwert der Reihe, sofern dieser existiert. Welche Bedeutung gemeint ist, wird in der Regel aber aus dem Kontext klar.
Eine bekannte Reihe ist die geometrische Reihe . Für ist diese Reihe (absolut) konvergent, der zugehörige Reihenwert ist . Für erhält man etwa:
Den Wert einer Reihe zu bestimmen, kann sehr schwierig sein und lässt sich mit Ausnahme einiger feststehende Ausdrücke in der Regel nicht auf bloßes Einsetzen in eine Formel reduzieren. Ob eine Reihe konvergent ist, lässt sich aber (in abgestimmten Klausursituationen) in der Regel mit einigen einfachen Kriterien überprüfen. Neben dem Majoranten- und Minorantenkriterium, welche Grundwissen über einige konvergente bzw. divergente Reihen erfordern, sind vor allem das Quotienten- und Wurzelkriterium einfach anzuwenden. Wir greifen an dieser Stelle exemplarisch das Quotientenkriterium auf. In einer möglichen Form besagt dieses:
In dieser Form lässt sich das Kriterium sehr leicht auf die nachfolgende Reihe anwenden, um die Konvergenz nachzuweisen:
ist (absolut) konvergent. Mit bzw. ist für alle und es gilt:
Damit ist die Reihe nach dem Quotientenkriterium (absolut) konvergent.
Ein häufiger Fehler der nun gemacht wird, ist den erhaltenen Grenzwert aus dem Quotientenkriterium auch als Reihenwert zu interpretieren. Diese Werte sind in der Regel nicht gleich. Da es sich hier ebenfalls um eine geometrische Reihe mit handelt, können wir den Reihenwert nämlich auch sehr einfach direkt berechnen:
Der Grenzwert aus der Anwendung des Quotientenkriteriums und der eigentliche Reihenwert weichen also stark voneinander ab.
Auch bei der Anwendung des Wurzelkriteriums lässt sich der berechnete Grenzwert im Falle der Konvergenz nicht auf den Reihenwert übertragen. Diese Grenzwerte sagen höchstens etwas über Konvergenz/Divergenz der Reihe aus, der Reihenwert ist davon zunächst unabhängig.
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